Im Berliner Tagesspiegel vom 10. November 09 schreibt Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundentages unter anderem über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide folgendes:
“Die Beteiligung an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf kommunaler wie auf Landesebene ist ernüchternd. Schon viele Volksentscheide und Volksbegehren sind sind allein am fehlenden Quorum gescheitert.”
Dies ist für ihn Grund genug, das Grundgesetz nicht plebiszitär zu öffnen. Plebiszitäre Elemente in das Grundgesetz aufzunehmen, kann man mit guten, nämlich verfassungsrechtlichen Gründen ablehnen oder annehmen. Die Ausführungen von Lammert dazu sind verfehlt. Wenn sich eine Initiative von Bürgern bildet, die über einen Volksentscheid eine Änderung kommunaler Politik durchsetzen will, so ist diese Initiative auch dann richtig, wenn sie scheitert.
Im Kreuzberger Wassertor-Kiez hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, bestimmte soziale Einrichtungen im Kiez zu erhalten und womöglich in eigener Regie zu betreiben (zu einem Volksentscheid wird es dabei natürlich nicht kommen, aber das Beispiel geht in die selbe Richtung). Der Sponsor der Einrichtungen, eine große Wohnungbaugesellschaft, war abgesprungen, der Bezirk gibt keine Gelder. Die Initiative trifft sich regelmäßig jeden Montag und legt die nächsten Schritte fest. Es werden phantasievolle Sammeldosen gebastelt, Listen möglicher Sponsoren aufgestellt, Aufgaben für die Öffentlichkeitsarbeit verteilt, Erfahrungsberichte ausgetauscht, ein Sprecher wird gewählt, für größere Aktionen werden Kommiteés gebildet, es wird entschieden, wer welchen Politiker anspricht, wer bei welchem möglichen Großsponsor vorsprechen soll, Protokolle werden gefertigt, Statements formuliert und abgestimmt.
Sicher wollen die Bürger den Erfolg ihrer Initiative. Aber selbst wenn es nicht klappen sollte: Der Schritt vom passiven Konsumenten sozialpädagogischer Angebote zum eigenverantwortlich und gezielt handelnden gesellschaftlichen Subjekt ist enorm und wird in der Zukunft Früchte tragen. Die Menschen, die teilgenommen haben kennen sich besser als zuvor, haben sich möglicher Weise durch die Arbeit überhaupt erst kennengelernt. Sie unterstützen sich gegenseitig, helfen mit den unterschiedlichen Möglichkeiten, die jedem gegeben sind, einander. Bei der nächsten gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung im Bezirk werden plötzlich Menschen da, die gelernt haben werden, einen kritischen Dialog und sich selbst zu organisieren. Nach dem Motto: Die dreckigen Flecken, die windigen Ecken, den korrupten Rat, den uralten Bart, die verlorenen Gelder, die brachliegenden Felder - werdet ihr das Subjekt, macht es zu eurem Projekt.
Wenn die Initiative sich durchsetzt - um so besser. Wenn nicht - was haben sie verloren?
Mit gescheiterten oder gar nicht erst zustande gekommenen Bürgerbegehren ist es ganz das selbe.
Menschen werden politikmüde, wenn sie keine Gelegenheit haben, selber etwas auf die Beine zu stellen und bei dem Vorhaben Erfolg zu haben oder zu scheitern.
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